re:publica 2016

Für mich war es die re:publica der Inspirationen, so viele Anregungen bekam ich.

Für Fefe war es die Synchron-Twitter-Wichs-Dauerwerbesendung in Berlin. Für Sascha Pallenberg einfach nur ein riesen Filz. Die Sponsoren Microsoft, Daimler, Eyeo (Addblock Plus) und IBM waren natürlich völlig daneben. Es war schön zu sehen, wie die Besucher und Keynote-Speaker die Ideale dieser Firmen zerpflückt haben. An sich ist es toll, die Community so gefestigt zu sehen, andererseits erschreckt es mich jedes Jahr wieder, wie durchwachsen die re:publica mit Business-Kaspern und Marketing-Selbstdarstellern ist.

Dieses Jahr gab es WLan, und auch O2 sorgte für ordentliches Netz. Das ist einen eigenen Absatz wert.

Das Gelände wurde nochmals erheblich ausgedehnt. Diesmal gehörte ein ganzer Park beim Gleisdreieck mit zur bewirtschafteten Fläche.

Im Zuge der Unter-Konferenz Fashiontech Berlin gab es einige spannende Mode-Designs zu sehen, zum Beispiel wirklich ästhetischen Schmuck mit LED-Beleuchtung. Leider gab es wie so oft im Design hinter der Fassade keinerlei relevante Anwendungen oder spannende Technik. Elektrotechnisch wurde nichts Brauchbares geboten. Bei Mode ist das aber auch nicht entscheidend, finde ich.

Lars Weiler mit dem Rufzeichen DC4LW hielt einen Vortrag über Amateurfunk. Erwartet hätte ich Beispiele längst verblasster Pioniertage von Funkamateuren, Hinweise auf die Überalterung der Amateure, Hiebe auf den Kommunikations-Konkurrenten Internet und Lobeshymnen auf die einzig wahre Art, sich mit Amateurfunk zu beschäftigen.

Die Realität sah ganz anders aus. Die Technische Universität Berlin unterhält mittlerweile eine Clubstation DK0TU. Lars selbst baut gerade beim Chaos Computer Club eine Clubstation auf. Es gibt Theorie-Kurse und Gruppen, die für weltweite Telegrafie in Parks gehen. Nicht schlecht.

Von den Quatsch-Talks möchte ich nur einen vorstellen: Gunter Dueck: Cargo-Kulte. Es geht darum, dass manche Dinge häufig passieren, wenn gleichzeitig etwas anderes passiert. Menschen beginnen dann das andere zu forcieren, damit das erste passiert. Zum Beispiel werden Likes auf Facebook gekauft, weil Marketing-Leute gesehen haben, dass Firmen mit vielen Likes beliebt sind. Oder sinnlose Doktorarbeiten werden geschrieben, weil Doktorarbeiten früher zusammen mit wissenschaftlicher Erkenntnis aufgetaucht sind. Das Problem ist, dass selten auf das Ergebnis geschaut wird, sondern nur kleine unsinnige Ziele verfolgt werden.

In einem Talk wurde Open Science angeschnitten. Das heißt, dass Forschungsergebnisse irgendwann zusammengefasst veröffentlicht werden. Vielleicht mit Glück auch rohe Messdatensätze. Wenn mal Methoden vor der Durchführung einer Studie veröffentlicht werden, fällt das unter Bürgerbeteiligung (Citizens Science) und ist eine Rarität. Andere Wissenschaftler werden offensichtlich selbst bei Open Science viel zu spät über Vorhaben informiert. Als Softwareentwickler bin ich es gewohnt, schon meine Konzepte auf Github zu veröffentlichen. Die Open Knowledge Foundation denkt bereits so weit wie die Softwareentwicklung schon ewig, findet aber scheinbar bisher keine nennenswerten Projekte.

Ein Highlight der re:publica war die Veröffentlichung von TTIP durch Greenpeace. Der Inhalt von TTIP war auf einen Schlag öffentlich, was eigentlich eine Sensation ist. Leider konnte Greenpeace nicht mal eine Infografik zeigen. Die Texte sind in schwer lesbaren PDF-Dokumenten. Die mediale Ausschlachtung wurde im Grunde komplett versäumt, statt dessen bearbeitete Greenpeace den Text nur nach ihrer eigenen politischen Agenda. Sehr schade. Zum Glück gibt es ein paar freie Projekte, die jetzt den Text durcharbeiten.

Für mich spannend zu sehen war ein Vortrag über große Büros, die gerade gebaut werden. Das Problem ist, dass immer weniger Mitarbeiter vor Ort sind, die Tische ungenutzt bleiben, Seminarräume fehlen und sich schwer Arbeitsgruppen bilden lassen. Die Modernisierung besteht darin, dass die meisten Leute keinen festen Tisch mehr haben. Arbeitszeit und Arbeitsort werden nach Vertrauen und nicht mehr nach Anwesenheit abgerechnet. Der Platzbedarf sinkt enorm. Gleichzeitig gibt es vier verschieden laute Bereiche. Im stillen Bereich kann konzentriert gearbeitet werden, etwas lauter sind Arbeitsräume für Gruppen, am lautesten geht es im Café mit Stehtischen zu. Dort können z.B. Kunden empfangen werden. Das Ergebnis ist, dass nun tatsächlich mehr Mitarbeiter wieder ins Büro kommen. Negativ scheint aber zu sein, dass die neue Flexibilität auch aus scheinbarer Freizeit Arbeitszeit macht und man nicht mehr abschalten kann.

In einem der vielen Talks über Bildung ging es um vierdimensionales Lernen (Four-Dimensional Education). Demnach ist theoretisches Wissen nur ein Aspekt einer Ausbildung. Man sollte in der Schule auch lernen einen Artikel zu schreiben, eine Steuererklärung auszufüllen oder turnen zu können, kurz: Anwendungsbezogenes Können muss genauso trainiert werden und ist wohl in Finnland der Schlüssel für grandios gute Schüler bei gleichzeitg minimaler Stundenzahl.

Netterweise bekam ich ein 180°-Bild von mir. Es besteht aus 16 Einzelbildern. Der Fotograf hat auch eine Kamera, die sogar aus 52 Richtungen gleichzeitig fotografiert. Man müsste zwischen den Einzelbildern mit einer Kantenerkennung automatisch morphen, so dass jeweils 14 Zwischenschritte entstehen. Daraus könnte ein Video zusammengesetzt werden, das alle 15 Bilder ein Original-Foto als Keyframe hätte. Man könnte das super flüssige Video ganz normal anschauen oder durch Spulen interaktiv machen. Leider ist es momentan wohl schwer möglich, zwischen den Fotos automatisch zu morphen. Man müsste die gleichen Teile im Bild schon auf allen Fotos manuell markieren.

Anmerkungen zu den Fotos: In einer der vielen Discokugeln konnte jeder Musik machen. Draußen wurden aufblasbare Pflastersteine bei einer Demo-Übung geworfen. In zwei 360°-Kuppeln konnten entspannt Filme geschaut und auch eigene Kreationen in WebGL präsentiert werden.

Leave a Comment