Auf der IFA Berlin nichts neues

Um halb zehn stand ich heute morgen vor den Toren der Internationalen Funkausstellung und realisierte, dass Einlass erst ab zehn möglich war. Also griff ich mir die Messezeitung. Gleich auf der Titelseite steht eingerahmt: In 1930, Albert Einstein talked about radio being a “wonderful tool of communication”. At that time, the transmission of sound by radio was a new concept …

Dieses Bild sagt eigentlich alles über die IFA 2010.

Warum nahm die Redaktion gerade den Sozial-DAU Einstein für ein Zitat über Kommunikation? Mit ein bisschen Recher­che wäre ihnen in dem Zusam­men­hang Berthold Brecht auf­ge­fallen, der schon einige Jahre vorher in der Radiotheorie feststellte, dass das Radio eben nicht der Kommunikation dient: Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen.

Kugellautsprecher von Grundig

Die Tore öffenten sich, und ich war gespannt, ob es neben belangloser Berieselung auch Neuigkeiten zu sehen geben würde. Grundig baut wieder Lautsprecher mit Kugelcharakteristik für die Deckenmontage. Willkommen 1950, leider wurden die letzten 60 Jahre nicht für eine klangliche Veränderung genutzt. Bei IBM standen die abstoßend korrekten Herren mit Anzug, die mit ihrer Art schon in den Siebzigern unbeliebt waren. Google-Boss Eric Schmidt hielt seine Predigt – ähh – Keynote.

Brillenaufsetzerin am Stand von Samsung

Neu waren eigentlich zwei Dinge, beide bei Samsung. Die Bildschirme für Stereoskopie waren es nicht, die hatten genau so eine schlechte Qualität wie bei den hundert anderen Herstellern und kamen nicht mal ansatzweise an das Bild vom IMAX 3D vor zwanzig Jahren. Es war auch nicht die Aspirin zu jeder Brille, die fehlte nämlich auch hier. Leider. Samsung hat etwas einzigartiges, nämlich eine spezielle Frau, die den Leuten die Brillen einschaltet. Das ist absolut neu und gab es noch nie. Glückwunsch zu diesem herausragenden Service.

Am selben Stand lag eine Kamera mit zwei Displays. Nun gut, zwei Displays, das haben doch manche Handys schon lange. Bei Samsung läuft aber während des Foto­gra­fie­rens auf der Objektivseite ein Film, damit die liebe Familie endlich mal hinguckt. Sensation. Zumindest auf einer Messe, auf der HiFi-Hersteller Bowers&Wilkins nur seine billigsten Aktivboxen zeigt und die meisten anderen mit Anspruch gar nicht erst zu sehen waren.

Samsungs Präsentation überzeugte.

Bei ausnahmslos allen Ständen auf der Messe habe ich mir die Präsentation angesehen. Die Denkschmiede Fraunhofer hat massenweise Platz, Steuergelder und Personal dermaßen ineffektiv verbaut, das Chaos hatte schon wieder etwas Schöpferisches für sich. Andere Ämter wie die Telekom machten einfach ein Büro auf. Das war wenigstens billiger. Komisch, dass man keine Nummer ziehen sollte. Der einzige durchdachte und gleichzeitig aufwändige Stand war der von Samsung. Der merkwürdig bewegliche Boden passte perfekt zur sphärischen Musik und der installierten Monatsproduktion LC-Displays überall in der Halle.

Wenn auf der IFA Kommunikationstechnik gezeigt wurde, hatte Einstein eine eigenwillige Vorstellung davon. Mir kam es vor, als wollten die Leute zu Hause in jedem Zimmer zu jeder Zeit, möglichst billig, möglichst groß und möglichst laut, ihren Führer sprechen hören. Selber gestalten? Kreativität? Vielleicht sogar Inhalte veröffentlichen? Bitte nicht so stressig.

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